Gentechnische Arbeiten mit Onkogenen

Die Risikobewertung gentechnischer Arbeiten betrachtet u.a. Nukleinsäuren, die in Organismen eingebracht werden und so zum Gefahrenpotential des entstehenden GVOs beitragen können. Hierzu gehören Nukleinsäuren mit sog. neoplastisch transformierenden Potential. Was ist bei solchen Arbeiten zu beachten?

Hintergrund

Hinter dem sperrigen Begriff Nukleinsäuren mit plastisch transformierendem Potential verbergen sich Onkogene genauso wie Tumorsuppressoren aber auch nicht kodierende DNA-Abschnitte sowie RNAs.

Bei Arbeiten mit solchen Nukleinsäuren gelten zum Teil besondere Vorsichtsmaßnahmen für den Personenschutz, die sich auch hinsichtlich des verwendeten Übertragungsweges (z.B. retroviral, AAVs) unterscheiden und über die allgemeinen Vorgaben an die Sicherheitsstufe (z.B. S1 oder S2) hinausgehen.

Informationsbeschaffung

Ein Nukleinsäureabschnitt wird dann als potenziell neoplastisch transformierend für humane Zellen eingestuft, wenn dessen ursächliche Beteiligung an der Entstehung von Tumoren nachgewiesen wurde. Dies ist z.B. der Fall, wenn gezeigt wurde, dass sie im Tierversuch Tumore erzeugen oder in in vitro Säugetierzellen transformieren.

Zur leichteren Einordnung führt die ZKBS eine Datenbank mit Genen und Nukleinsäuren, die bereits hinsichtlich ihres onkogenen Potentials bewertet wurden. Hier findet sich auch bereits häufig ein Hinweis auf die einzuhaltenden Schutzmaßnahmen: https://zkbs-online.de/datenbanken/onkogene.

Zwei Stellungnahmen der ZKBS beschäftigen sich mit der grundsätzlichen Bewertung solcher gentechnischen Arbeiten: Vorsichtsmaßnahmen beim Umgang mit Nukleinsäuren mit neoplastisch transformierenden Potential (Az. 6790-10-01) und Bewertung von GVOs, in die solche Nukleinsäureabschnitte eingeführt wurden (Az. 08020203.0002.0005 früher 6790-10-36).

GVO-Einstufung und Schutzmaßnahmen

  • Handelt es sich bei den Empfängerorganismen um solche der Risikogruppe 1 und wurde ein als biologische Sicherheitsmaßnahme anerkanntes Vektor-Empfänger-System verwendet, dann werden die entstehenden GVOs ebenfalls in die Risikogruppe 1 eingestuft und die gentechnischen Arbeiten in S1.
  • Beispiele für anerkannte Empfängerorganismen sind E. coli K12 Derivate, E .coli BL21 und primäre oder etablierte eukaryotische Zellen der RG 1.

Generell gelten bei gentechnischen Arbeiten mit derartig eingestuften Nukleinsäureabschnitten folgende zusätzliche Schutzmaßnahmen:

  • Bei Arbeiten mit Nukleinsäuren mit dem o. g. Gefährdungspotential sollen Einmalhandschuhe getragen werden.
  • Der Gebrauch von scharfen, spitzen oder zerbrechlichen Laborgegenständen soll nach Möglichkeit vermieden werden.
  • Laborplatz und Laborgeräte, die mit diesen Nukleinsäuren in Berührung kommen, sollen nach Beendigung der Tätigkeit sorgfältig gereinigt werden.
  • Laborabfälle, die solche Nukleinsäuren enthalten, sollen durch Autoklavieren oder chemisch denaturiert werden. Achtung: es sind nicht nur GVO-haltige Abfälle gemeint!
  • Personen mit erheblichen Hautverletzungen (offene Ekzeme, Wunden und Infektionen) oder mit einer ausgeprägten Verrucosis (Warzenausbildung) sollten keine Arbeiten mit diesen Nukleinsäuren durchführen.

Diese Maßnahmen sind nicht erforderlich, wenn es sich beim Empfänger um primäre oder etablierte Zelllinien der RG 1 handelt und alle übertragenen Nukleinsäuren im Wirtsgenom integriert und nicht stabil episomal vorliegen.

Zur Einstufung von etablierten Zelllinien siehe die Datenbank der ZKBS, für die Einstufung von Primärzellen die ZKBS-Stellungnahme Az. 6790-10-03.

Achtung! Besonderheiten bei Nutzung viraler Systeme:

Werden bei gentechnischen Arbeiten zur Übertragung entsprechender Nukleinsäuren virale Vektoren verwendet, gelten unter Umständen erhöhte Maßnahmen für den Personenschutz:

  • Retrovirale Systeme: Hier spielt die Art der Pseudotypisierung eine Rolle. Können verwendete Vektoren humane Epithelzellen der Nasen-, Mund- oder Rachenschleimhaut transduzieren, wird zur Vermeidung einer Schmier- oder Tröpfcheninfektion das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes empfohlen. Dies betrifft auch VSV-G-pseudotypisierte Vektoren aufgrund des breiten Zelltropismus. Können hingegen humane Lungenepithelzellen transduziert werden, dann muss eine FFP3-Maske getragen werden. Siehe ZKBS-Stellungnahme (Az. 6790-10-41).
  • Adenoviren und AAVs: Achtung, diese Arbeiten sind in S2 eingestuft, obwohl mittlerweile Arbeiten mit AAVs sonst in S1 eingestuft werden! Es gelten zudem zusätzliche Maßnahmen zum Personenschutz! Für Details siehe die ZKBS-Stellungnahme (Az. 6790-10-83)
  • Virusähnliche Partikel: Die Vorgaben der ZKBS-Stellungnahme Az. 45310.0118 sind zu beachten.

Fazit

Bei gentechnischen Arbeiten mit Nukleinsäuren mit neoplastisch transformierenden Potential sind weitere Schutzmaßnahmen einzuhalten, die über die allgemeinen Maßnahmen der GenTSV für die entsprechende Sicherheitsstufe hinausgehen. Die Bewertung inkl. der sich daraus ergebenden Maßnahmen muss sich in der Risikobewertung der Arbeiten wiederfinden, die immer vor (!) Start des Projektes durchzuführen ist. Die zu beachtenden Maßnahmen müssen dann in die S1 oder S2 Labor Betriebsanweisung mit aufgenommen und die Beschäftigten dazu unterwiesen werden.